Marktumfeld

Marktumfeld – Januar 2022

Die politische Spannung wächst

2021 und nicht zuletzt der Dezember waren geprägt von politischen Spannungen. In Europa wurde vor allem dem Russland-Ukraine-Konflikt besondere Beachtung geschenkt, da Vladimir Putin 100.000 Soldaten in der Nähe der Nord-, Ost- und Südgrenze der Ukraine stationiert hat.

In der westlichen Welt macht man sich nun Sorgen über Putins Pläne zur Wiedervereinigung Russlands mit der Ukraine. Als Reaktion hat die NATO ihre Krisenkräfte in Einsatzbereitschaft versetzt, während die USA der Ukraine ihre Unterstützung zusicherte.

Am 17. Dezember stellte Russland den USA und der NATO praktisch ein Ultimatum. Zu den russischen Forderungen gehören auch mehrere nicht erfüllbare Forderungen. So würde die Forderung Russlands, die USA dürften keine Atomwaffen im Ausland stationieren, ein Gründungsprinzip der NATO – die gemeinsame Nutzung von Atomwaffen durch die Mitgliedstaaten – aushebeln.

Solange Russland keine Gegenleistung erbringt, zum Beispiel ein Abzug aller seiner Streitkräfte aus dem ukrainischen Gebiet, sind die westlichen Staaten wenig gewillt, Zugeständnisse zu machen. Doch Putin hat nicht vor, dem Westen entgegenzukommen.

Am 23. Dezember hielt Putin seine Marathon-Pressekonferenz zum Jahresende ab. Er erklärte, dass Russland selbst dann, wenn die Sicherheitsgarantien der „roten Linie“ auf dem Papier erfüllt seien, den Zusicherungen der USA nicht trauen könne, da es in Bezug auf die NATO-Erweiterung „eklatant belogen“ worden sei.

Dass die USA offensive Angriffswaffen vor „Russlands Haustür“ hätten, sei in etwa so, als hätte Russland solche Waffen in Kanada oder Mexiko positioniert. Eine Entspannung der geopolitischen Lage ist hier in naher Zukunft nicht in Sicht.

Das könnte in den kommenden Monaten nicht nur die Aktienmärkte belasten, sondern auch die Energiepreise beeinflussen, insbesondere den Gaspreis.

Dies vor allem, da Russland einer der größten Gaslieferanten Deutschlands und der größte Gasexporteur der Welt ist. Während man in Europa mit Spannung auf die russisch-ukrainische Grenze schaut, verliert man einen anderen Konfliktherd zunehmend aus den Augen: Taiwan.

China beansprucht das demokratisch regierte Taiwan als sein eigenes Territorium und hat in den letzten zwei Jahren den militärischen und diplomatischen Druck erhöht.

China möchte so seinen Souveränitätsanspruch durchzusetzen, was Besorgnis in Washington auslöst. Taiwan hat sich zu einem Schlüsselfaktor in den angespannten Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten entwickelt.

Die USA sind der wichtigste internationale Unterstützer und Waffenlieferant der Insel, obwohl es keine formellen diplomatischen Beziehungen gibt. China bezeichnet die Insel regelmäßig als das heikelste Thema in seinen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Obwohl die USA nur ein China anerkennen, sind sie gesetzlich verpflichtet, Taiwan die Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung zu stellen.

Außerdem verfolgen sie seit langem eine Politik der „strategischen Zweideutigkeit“ in der Frage, ob sie im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch eingreifen würden, um Taiwan zu schützen.

In jedem Fall würden die taiwanesische und chinesische Wirtschaft unter einer Intensivierung des Konflikts leiden.

Es geht vor allem um Taiwans Chipindustrie, die weltweit konkurrenzlos ist. Würde der Konflikt eskalieren, könnte das den aktuell vorherrschenden Mangel an Chips weiter verschärfen, was zu einer globalen Belastung der Aktienmärkte führen würde.

Dass der Weltmarkt abhängig von der Chipindustrie ist, zeigt deren Entwicklung. Während der US Semiconductor Index kräftig zulegen konnte, stagnierte die Entwicklung im asiatischen Raum.

Da Taiwan einen großen Teil in diesem Bereich ausmacht, litt die asiatische Halbleiterindustrie unter dem Konflikt zwischen den USA und China sowie Schutzzöllen und anderen Faktoren.

Marktumfeld - Januar 2022
Abbildung: US Semiconductors Index (Orange) vs. Asia Pacific Semiconductors Index (Weißblau) Quelle: Bloomberg

Dass die Industrie in den USA seit Jahren stärker wächst und scheinbar nur geringfügig mit dem asiatischen Pendant korreliert, erscheint daher erstaunlich.

Gerade weil die asiatische Industrie so relevant ist, erwarten wir hier jedoch ein Aufholen zu den amerikanischen Titeln.

US Semiconductors Index – Asia Pacific
Semiconductors Index
Abbildung: US Semiconductors Index – Asia Pacific Semiconductors Index Quelle: Bloomberg

Zentralbankpolitik

Um das Wachstum der chinesischen Wirtschaft zu sichern, hat die People‘s Bank of China überraschend den einjährigen Leitzins gesenkt. Damit sendet China ein klares Signal für seine wachstumsfördernde Ausrichtung.

Es kann erwartet werden, dass diese unterstützende Politik in 2022 beibehalten wird.

 5 Jahres- (Orange) und 1 Jahres-Leitzins
(Weiß) in China
Abbildung: 5 Jahres- (Orange) und 1 Jahres-Leitzins (Weiß) in China Quelle: Bloomberg

Anders sieht es hingegen in den Vereinigten Staaten aus. Die US-Notenbank Fed hat angekündigt, das Tempo für den Abbau der Anleihekäufe (Tapering) zu beschleunigen.

Außerdem kündigte sie einen steileren Zinserhöhungspfad an, als ihn die Märkte erwartet hatten. Somit ist klar, dass die Fed sich auf die Preisstabilität konzentriert, selbst wenn die Omikron Variante Abwärtsrisiken für das Wachstum birgt.

Würde die Fed ihr Abbautempo beibehalten, würde das Ankaufprogramm im März auslaufen. Der Inflationsdruck zwingt die Fed jedoch zu rascherem Handeln, da ein Abschluss des Tapering als Voraussetzung für eine Zinserhöhung gilt.

Höhere Zinsen sollten zu einer Korrektur der Aktien und Anleihemärkte führen und obendrein den US Dollar weiter aufwerten.

Konsumentenpreisinflation, mit Unterteilung
auf diverse Komponenten: Gebrauchtwagen (Weiß),
Energie (Lila), andere (Orange)
Abbildung: Konsumentenpreisinflation, mit Unterteilung auf diverse Komponenten: Gebrauchtwagen (Weiß), Energie (Lila), andere (Orange) Quelle: Bloomberg

Wie in den USA haben in Europa steigende Energiepreise die Inflation in den vergangenen Monaten stark getrieben.

Auch Versorgungsengpässe beschleunigten diesen Trend. In der gesamten Eurozone sind außerdem höhere Lebenshaltungskosten zu verzeichnen, was die EZB unter Druck setzt, die Konjunkturmaßnahmen zurückzufahren und eine Anhebung der Zinssätze früher als geplant in Betracht zu ziehen.

Die Europäische Zentralbank scheint sich jedoch mehr Sorgen über die Auswirkungen durch die Omikron-Variante auf das BIP-Wachstum zu machen, als über die Möglichkeit, dass sie zu einer anhaltend höheren Inflation beiträgt.

So hat die EZB entschieden, die Anleihekäufe auszuweiten, um eine Klippe zu vermeiden, wenn das Pandemie Notkaufprogramm im 1. Quartal ausläuft.

Omikron

Ob Omikron tatsächlich eine große Auswirkung auf das BIP-Wachstum hat, wird sich zeigen.

Obwohl die USA zunehmend höhere Fallzahlen zu verzeichnen haben, hatte dies zuletzt keine Auswirkung auf die Einzelhandelsumsätze. Die wöchentlich neu registrierten Fälle nähern sich jedoch einem Allzeithoch.

Es kann allerdings gehofft werden, dass das neu zugelassene Medikament Paxlovid unterstützend eingesetzt werden kann, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern.

Wöchentliche Covid Fälle USA
Quelle: John Hopkins University
Abbildung: Wöchentliche Covid Fälle USA
Quelle: John Hopkins University

Wachstumshemmend sind die durch diverse Lockdowns entstandenen Lieferengpässe, vor allem im Chip- und Halbleiterbereich.

Dieser Trend scheint sich zunächst auch bei Omikron fortzusetzen. Da China nach wie vor an seiner Zero-Covid Politik festhält, wurde nun in der Stadt Xi’an ein Lockdown verhängt. Xi’an gilt als ein wichtiger Produktionsstandort für Chips. Unserer Meinung nach wird dieser Lockdown die Lieferengpässe zunehmend verschlimmern.

Marktentwicklung – Anlageklassen

So besorgniserregend manche dieser Aspekte auch sein können, trüben sie die Performance der Aktien in den USA und dem Euroraum nicht so wirklich.

Der S&P 500 konnte 4,8% zulegen, während der STOXX Europe 600 mit 6,1% im Plus schließen konnte. Damit ist der Dezember für den STOXX 600 relativ zum S&P 500 einer der besten Monate des Jahres 2021 gewesen.

Auf das Gesamtjahr betrachtet entwickelten sich die Leitindizes mit 27,7% im S&P 500 und 13,9% im STOXX 600 positiv.

Die Diskrepanz der beiden Werte ist unserer Ansicht nach zum einen mit dem starken US-Dollar, aber auch mit der Rally der US-Techwerte zu erklären, welche aktuell mit einem beachtlichen Premium zu den europäischen Pendants gehandelt werden.

Relative Performance Dezember 2021
S&P 500 (Blau) und STOXX 600 (Gold)
Quelle: K2Success Research
Abbildung: Relative Performance Dezember 2021 S&P 500 (Blau) und STOXX 600 (Gold) Quelle: K2Success Research

Aber nicht nur die amerikanischen und europäischen Aktien beendeten den Monat mit einer positiven Performance. Auch der MSCI EAFE, welcher die Aktien entwickelter Länder ohne die USA und Südkorea enthält, schloss 3% im Plus. Auch die Rohstoffe konnten einen guten Monat verzeichnen.

Der S&P GSCI, ein diversifizierter Rohstoffindex mit einem hohen Anteil an Energierohstoffen, erzielte 8,5%, Gold hingegen nur gut 2%.

Wenn man nun den Blick auf die Edelmetalle richtet, stellt man fest, dass sich in den letzten Jahren Silber relativ zum Dow Jones besser entwickelt hat als Gold. Außerdem sieht man, dass Gold der Entwicklung meist ein wenig hinterher hängt, was in der aktuellen Situation auf einen steigenden Goldpreis hindeuten könnte.

Abbildung: Dow Jones YoY% (DJ) / Gold Spot YoY% & DJ YoY% / Silber Spot YoY% Quelle: Bloomberg
Abbildung: Dow Jones YoY% (DJ) / Gold Spot YoY% & DJ YoY% / Silber Spot YoY% Quelle: Bloomberg

Amerikanische Immobilien erwiesen sich im Dezember ebenfalls als äußerst profitable Anlageklasse und konnten ihren Trend weiter fortsetzen. Mit 7,9% konnten sie die Aktienmärkte weitestgehend übertreffen.

Anleihen haben dagegen ihre negative Jahresperformance im Dezember mit -1% weiter ausgebaut. Mit Blick auf die Entscheidungen der Fed ist das nicht sonderlich überraschend. Ähnlich wie Anleihen hatten auch Kryptowährungen keinen guten Monat.

So verloren zwei der größten und wichtigsten Coins, Bitcoin und Ethereum, 19,7% respektive bis zu 17%.

Relative Performance Dezember 2021 S&P 500, Aktien entwickelter Länder, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe Quelle: K2Success Research
Abbildung: Relative Performance Dezember 2021 S&P 500, Aktien entwickelter Länder, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe Quelle: K2Success Research

Growth vs. Value

Seit dem Ausbruch der Pandemie 2020 und der darauffolgenden Erholung der Aktienmärkte haben Growth-Titel Value-Titel weit hinter sich gelassen.

Performance S&P 500 Growth (Blau & Grün) vs. S&P 500 Value (Rot & Orange) Quelle: Yardeni Research
Abbildung: Performance S&P 500 Growth (Blau & Grün) vs. S&P 500 Value (Rot & Orange) Quelle: Yardeni Research

Vergleicht man nun das KGV dieser Titel, erkennt man schnell, dass die Value-Titel mittlerweile zu einem erheblichen Abschlag gehandelt werden.

Das erhöht die Attraktivität dieser Aktien, da sie vor allem in Zeiten erhöhten Risikos zu den eher sicheren Aktieninvestments gehören.

 KGV S&P 500 Growth (Blau; 29,4) vs. KGV S&P 500 Value (Rot; 15,9) Quelle: Yardeni Research
Abbildung: KGV S&P 500 Growth (Blau; 29,4) vs. KGV S&P 500 Value (Rot; 15,9) Quelle: Yardeni Research

Ausblick

Wenn die Zinsen steigen, steigt die Nachfrage nach realen Gewinnen der Value-Titel. Es wird erwartet, dass die US-Notenbank im Jahr 2022 die Zinssätze anheben wird, um die Inflation zu bekämpfen, und dass die staatlichen Pandemie-bedingten Programme zur Ankurbelung der Wirtschaft auslaufen werden.

Nach dem 26.01.22, dem nächsten Sitzungstermin der Fed, wird sich zeigen, wie bald die Fed ihre Zinsen anheben wird.

Selbst wenn die Wirtschaft weiterwächst, wird es Bedenken hinsichtlich der Bewertungen geben, da die straffere Politik der Fed voraussichtlich zu einer höheren Volatilität führen wird.

Ob die EZB währenddessen ihren aktuellen Kurs beibehält oder doch einen ähnlichen Kurs wie die Fed einschlägt, wird sich am 03.02.22 zeigen.

Einen anderen Kurs hingegen fährt Peking. China plant ein Rekordvolumen an Anleihen zu begeben und will die Wirtschaft durch Steuermaßnahmen und Senkung der Leitzinsen weiter stimulieren.

Des Weiteren hat Chinas Zentralbank erneut Immobilienkonzerne zu Fusionen aufgerufen, um den Immobilienmarkt auf diesem Weg zu stabilisieren. Inwiefern sich das durchsetzt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.